Folgende Neukonzeptionierung wurde von der Jugend- und
Seniorenreferentin vorgeschlagen:
„Schule der Demokratie“ – Jugendbeteiligung
an politischen Entscheidungsprozessen in Hohenstein (Hessen)“
Einführung
Mit Beschluss vom 27.08.2019 hat der Sozialausschuss den
Gemeindevorstand mit einer „Neukonzeptionierung“ des „Hohensteiner Jugendforums
2.0“ beauftragt. Damit signalisiert der Ausschuss seine Unzufriedenheit mit den
bislang praktizierten Verfahren. Hierzu ist zu sagen, dass sich die beteiligten
Jugendlichen immer positiv - insbesondere für die zuletzt praktizierten
ortsteilbezogenen Jugendforen - ausgesprochen haben. Grund dafür ist, dass sie
es spannend und informativ fanden mit Verantwortlichen der Gemeinde auf
Augenhöhe über gemeindliche Anliegen sprechen zu können. Auch der ungezwungene
Rahmen gefiel ihnen.
Der Sozialausschuss hat im letzten Jahr und auch in diesem Jahr die
Ergebnisse „zur Kenntnis“ genommen und mit der Kritik versehen, es seien nicht
genug Jugendliche aktiviert worden und das Verfahren sei nicht
zielgruppengerecht. Kommt dazu, dass die Gemeindevertretung nachweislich in den
letzten Jahren kein besonderes Interesse an den Ergebnissen der Jugendforen
gezeigt hat. Das war in dem ursprünglich Konzept aus 2013 jedoch so vorgesehen:
„Die Gemeindevertretung sorgt dafür, dass die durch die Hohensteiner Foren
gewonnen Erkenntnisse bei den politischen Entscheidungsprozessen berücksichtigt
werden.“
Die Ergebnisse der seit 2013 durchgeführten Jugendbeteiligungsverfahren
sind qualitativ mit gut zu bewerten. Hohenstein hat sich auf den Weg gemacht,
hat Methoden jenseits gängiger aber wenig erfolgreicher Formen der
Jugendbeteiligung, wie sie es vor allem die Jugendparlamente darstellen, zum
Einsatz gebracht.
Die Kritik an den zuletzt praktizierten ortsteilbezogenen Verfahren in
Zusammenarbeit mit den Ortsbeiräten und mit Einladung des Bürgermeisters ist
jedoch insofern berechtigt, als alle beteiligten Akteure keine wirkliche,
letztendliche Entscheidungsmacht haben. Die liegt in Händen der
Gemeindevertretung. Außerdem lässt sich feststellen, dass es hinsichtlich der
Ergebnisverwertung kein systematisches Verfahren gab. Erfolgversprechend
hingegen sind Jugendbeteiligungsverfahren dann, wenn Jugendliche erleben, dass
sich ihr Einsatz auch lohnt, dass sie etwas bewirken können. Nach reichlich
kleinen „Würfen“ muss es jetzt das Ziel sein, den „großen Wurf“ zu tun. Es braucht
den deutlich erklärten Willen der Entscheidungsträger der demokratischen
Strukturen der Gemeinde Hohenstein, Jugendliche im wahrsten Sinne des Wortes wirklich zu beteiligen. Praktiziert
werden könnte also eine jenseits von Parteipolitik - jedoch in formale
Strukturen verortete - freiwillige Mitbestimmung von Jugendlichen im Sinne
einer „Schule der Demokratie“ (vgl. Lindner/Kilb: Jugendarbeit und Kommune, in
Kessl/Reutlinger/Maurer/Frey (Hg.) (2005): Handbuch Sozialraum. VS Verlag.
Wiesbaden). Hier bietet sich die kommunale, eher lebensweltnahe Ebene besonders
an.
Wer sind die Akteure im Verfahren? Das sind die Verwaltung mit ihren
Ämtern und die Gemeindevertretung sowie - selbstredend - Hohensteiner
Jugendliche. Wobei die Fachstelle Jugendarbeit (Jugend- und Seniorenreferat)
hierbei eine besondere Rolle innerhalb der Verwaltung einnimmt. Sie hat zum
einen eine anwaltliche Funktion (Stellvertreterfunktion) zugunsten jugendlicher
Interessen. Gleichzeitig muss sie die vorgegebenen Strukturen und Beschlüsse
wahren.
Ernsthafte Jugendbeteiligung bedeutet für die repräsentative Demokratie
die Abgabe von Macht. Damit einhergehend müssen Jugendliche also dazu
ermächtigt werden, mitbestimmen zu können. Das heißt, man muss ihnen Wege
eröffnen und Mitbestimmung ermöglichen. Es handelt sich also auch um einen
Bildungsauftrag. Jugendliche bekommen die Möglichkeit, Demokratie zu lernen.
Um mehr Jugendliche zu erreichen und jugendgerechte Verfahren
umzusetzen, braucht es ein deutliches Signal in deren Richtung. Es braucht eine
kommunalpolitische Verankerung und verbindliche Verabredungen zum Umgang mit
den Ergebnissen. Verabredungen müssen umgesetzt, über Ergebnisse kontinuierlich
und transparent berichtet werden. Es muss deutlich werden, wer an welchen
Entscheidungen mitbestimmen darf und selbstverständlich müssen auch die Grenzen
von Mitbestimmung ausgehalten werden.
Die Mitbestimmung junger Menschen an politischen und
verwaltungsbezogenen Entscheidungsprozessen innerhalb der gegebenen Bedingungen
eröffnet einen Zugewinn an Ressourcen, Idee und Nachhaltigkeit. Junge Menschen
lernen Demokratie; vor allem, dass sie errungen werden muss und es
Kompromissbereitschaft braucht. Wie wichtig das ist, zeigt sich an den neuesten
Erkenntnissen der Shell-Studie 2019: Im Schatten der Engagierten (Friday for
Futures), so eine Haupterkenntnis der Studie, wachse eine Gruppe heran, die
sich von Politik missverstanden, ignoriert und sogar manipuliert fühle - und
die in Teilen Denk- und Verhaltensmuster von Populisten übernommen habe. (vgl.
https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/shell-jugendstudie-2019-anfaellig-fuer-populismus-und-verschwoerungstheorien-a-1291545.html;
Zugriff 16.10.2019)
Grundsätzlich muss klar sein, dass Entscheidungsfindungsprozesse bei
Einbindung derart basisdemokratischer Elemente zeitintensiver sind und einer
systematischen Begleitung bedürfen. Alle Akteur*innen der repräsentativen
Demokratie und der Verwaltung müssen zu dem diese Art der Mitbestimmung
akzeptieren und respektieren, wobei die Bedeutung der politischen Gremien nicht
infrage gestellt wird und selbstredend alle rechtliche Vorgaben unangetastet
bleiben. Zielführend ist es außerdem, wenn alle beteiligten Akteure auf
Augenhöhe zusammenarbeiten.
Praktische Umsetzung
Die Vorgehensweise könnte nun so sein: Jede Vorlage des Vorstands in der
Gemeinde Hohenstein unterliegt bereits seit einigen Jahren einem Demografie-Check. In Zukunft nun käme
hinzu, dass vom Bürgermeister zu entscheiden wäre, ob es zielführend und vor
allem im Interesse Jugendlicher aus Hohenstein wäre, bevor endgültige
Beschlüsse gefasst werden, Jugendlichen ein Mitspracherecht innerhalb dieses
Demografie-Checks einzuräumen. Vgl.
hierzu auch § 4c HGO – Beteiligung von Kindern und Jugendlichen.
Wenn die Gemeindevertretung dem zustimmt, erarbeitet die
Gemeindeverwaltung jeweils ein themen- und zielgruppenorientiertes Verfahren
zur politischen Jugendbeteiligung. Die Ergebnisse der Verfahren fließen in die
gängigen Entscheidungsprozesse mit ein und werden den Jugendlichen, die der
Einladung auf Mitbestimmung gefolgt sind, mitgeteilt und erklärt. Es sollte
infolge zulässig sein, dass sie hierzu Stellung beziehen können.
Darüber hinaus, so sollte entschieden werden, wird den Jugendlichen auch
ein Initiativrecht eingeräumt: Sie
können also selbst Anträge einbringen.
Die hier beschriebene Jugendbeteiligungsform kann also als
projektorientiert- oder anlassbezogen bezeichnet werden. Das erhöht die
geforderte Zielgenauigkeit hinsichtlich der Zielgruppengerechtigkeit.
Es gibt eine Vielzahl an Erfahrungswerten, die zum Gelingen derartiger
Prozesse beitragen. Sie in Gänze hier aufzuführen, wäre zu umfangreich, sollte
aber infolge als Checkliste zwecks Qualitätssicherung im Auge behalten werden.
Für diesen Beschluss – so darf wiederholt werden – ist es zuallererst
unabdingbar, dass alle Akteure die Bereitschaft zur interdisziplinären,
intergenerativen und respektvollen Kooperation mitbringen und seitens der
Gemeindevertretung hierzu zielführend ein ernsthafter und verbindlicher
Beschluss im vorgetragenen Sinne gefasst wird.
Ausblick
Jugendliche sind sehr sensibel dafür, wenn ihnen nur eine
Alibi-Partizipation zu Teil wird. Das würde dem Ziel, sie demokratiefähig zu
machen, widerlaufen. Angesichts der gesellschaftlichen Tendenzen muss
Jugendbeteiligung deshalb entschlossen und systematisch angegangen werden.
Alles andere birgt die Gefahr, dass junge Menschen der repräsentativen
Demokratie wenig Vertrauen schenken.
Positiv herauszustellen ist außerdem, dass Mitbestimmung schon seit über
20 Jahren in der Gemeinde Hohenstein erfolgreich praktiziert wird und zwar in
den Jugendclubs, deren Träger die Gemeinde Hohenstein ist. Hier lernen junge
Menschen am Lernort Jugendclub mit fachlicher Anleitung Selbstverwaltung. Sie
halten Frust aus, lernen, dass es Regeln gibt, müssen Konflikte regeln. Das
Plus ist, dass die Gemeinde Hohenstein ihnen Vertrauen schenkt. Ein guter
Ausgangspunkt dafür, jungen Menschen in Hohenstein noch mehr zuzutrauen.
Beschlussvorschlag
Der Gemeindevorstand befürwortet die Handlungsempfehlung, insbesondere der dargestellten praktischen Umsetzung, und empfiehlt sie zur Beratung und Beschlussfassung in der Gemeindevertretungssitzung am 02. Dezember 2019.
Der Gemeindevorstand hat sich in seiner Sitzung am 13.11.2019 mit der Thematik befasst und folgenden geänderten Beschluss gefasst:
Der Gemeindevorstand hat sich mit der Thematik eingehend befasst. Das
bisherige System der dezentralen Jugendforen hat sich aus Sicht des
Gemeindevorstandes bewährt. Der Gemeindevorstand schlägt daher vor, die
Jugendbeteiligung in der bisherigen Form bei zu behalten.
keine
Die Gemeindevertretung der Gemeinde Hohenstein nimmt die Neukonzeptionierung zur Kenntnis und stimmt den geplanten Änderungen in der von der Jugend- und Seniorenreferentin vorgeschlagenen Form zu.
13.11.2019 |
Gemeindevorstand |
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Der Gemeindevorstand der Gemeinde Hohenstein empfiehlt der Gemeindevertretung der Vorlage A2/010/2019 (Handlungsempfehlung Neukonzeptionierung politische Jugendbeteiligung 2020) in der geänderten Form zuzustimmen. Der Gemeindevorstand hat sich mit der Thematik eingehend befasst. Das
bisherige System der dezentralen Jugendforen hat sich aus Sicht des Gemeindevorstandes
bewährt. Der Gemeindevorstand schlägt daher vor, die Jugendbeteiligung in der
bisherigen Form bei zu behalten. |
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einstimmig beschlossen |
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26.11.2019 |
Sozialausschuss |
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Wird mündlich
vorgetragen |
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27.11.2019 |
Haupt-
und Finanzausschuss |
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Wird mündlich
vorgetragen |
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