Betreff
Handlungsempfehlung Neukonzeptionierung politische Jugendbeteiligung 2020
Vorlage
GVER/040/2019
Art
Beschlussvorlage Gemeindevertretung

Folgende Neukonzeptionierung wurde von der Jugend- und Seniorenreferentin vorgeschlagen:

 

„Schule der Demokratie“ – Jugendbeteiligung an politischen Entscheidungsprozessen in Hohenstein (Hessen)“

 

Einführung

Mit Beschluss vom 27.08.2019 hat der Sozialausschuss den Gemeindevorstand mit einer „Neukonzeptionierung“ des „Hohensteiner Jugendforums 2.0“ beauftragt. Damit signalisiert der Ausschuss seine Unzufriedenheit mit den bislang praktizierten Verfahren. Hierzu ist zu sagen, dass sich die beteiligten Jugendlichen immer positiv - insbesondere für die zuletzt praktizierten ortsteilbezogenen Jugendforen - ausgesprochen haben. Grund dafür ist, dass sie es spannend und informativ fanden mit Verantwortlichen der Gemeinde auf Augenhöhe über gemeindliche Anliegen sprechen zu können. Auch der ungezwungene Rahmen gefiel ihnen.

Der Sozialausschuss hat im letzten Jahr und auch in diesem Jahr die Ergebnisse „zur Kenntnis“ genommen und mit der Kritik versehen, es seien nicht genug Jugendliche aktiviert worden und das Verfahren sei nicht zielgruppengerecht. Kommt dazu, dass die Gemeindevertretung nachweislich in den letzten Jahren kein besonderes Interesse an den Ergebnissen der Jugendforen gezeigt hat. Das war in dem ursprünglich Konzept aus 2013 jedoch so vorgesehen: „Die Gemeindevertretung sorgt dafür, dass die durch die Hohensteiner Foren gewonnen Erkenntnisse bei den politischen Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden.“

Die Ergebnisse der seit 2013 durchgeführten Jugendbeteiligungsverfahren sind qualitativ mit gut zu bewerten. Hohenstein hat sich auf den Weg gemacht, hat Methoden jenseits gängiger aber wenig erfolgreicher Formen der Jugendbeteiligung, wie sie es vor allem die Jugendparlamente darstellen, zum Einsatz gebracht.

Die Kritik an den zuletzt praktizierten ortsteilbezogenen Verfahren in Zusammenarbeit mit den Ortsbeiräten und mit Einladung des Bürgermeisters ist jedoch insofern berechtigt, als alle beteiligten Akteure keine wirkliche, letztendliche Entscheidungsmacht haben. Die liegt in Händen der Gemeindevertretung. Außerdem lässt sich feststellen, dass es hinsichtlich der Ergebnisverwertung kein systematisches Verfahren gab. Erfolgversprechend hingegen sind Jugendbeteiligungsverfahren dann, wenn Jugendliche erleben, dass sich ihr Einsatz auch lohnt, dass sie etwas bewirken können. Nach reichlich kleinen „Würfen“ muss es jetzt das Ziel sein, den „großen Wurf“ zu tun. Es braucht den deutlich erklärten Willen der Entscheidungsträger der demokratischen Strukturen der Gemeinde Hohenstein, Jugendliche im wahrsten Sinne des Wortes wirklich zu beteiligen. Praktiziert werden könnte also eine jenseits von Parteipolitik - jedoch in formale Strukturen verortete - freiwillige Mitbestimmung von Jugendlichen im Sinne einer „Schule der Demokratie“ (vgl. Lindner/Kilb: Jugendarbeit und Kommune, in Kessl/Reutlinger/Maurer/Frey (Hg.) (2005): Handbuch Sozialraum. VS Verlag. Wiesbaden). Hier bietet sich die kommunale, eher lebensweltnahe Ebene besonders an.

Wer sind die Akteure im Verfahren? Das sind die Verwaltung mit ihren Ämtern und die Gemeindevertretung sowie - selbstredend - Hohensteiner Jugendliche. Wobei die Fachstelle Jugendarbeit (Jugend- und Seniorenreferat) hierbei eine besondere Rolle innerhalb der Verwaltung einnimmt. Sie hat zum einen eine anwaltliche Funktion (Stellvertreterfunktion) zugunsten jugendlicher Interessen. Gleichzeitig muss sie die vorgegebenen Strukturen und Beschlüsse wahren.

 

Ernsthafte Jugendbeteiligung bedeutet für die repräsentative Demokratie die Abgabe von Macht. Damit einhergehend müssen Jugendliche also dazu ermächtigt werden, mitbestimmen zu können. Das heißt, man muss ihnen Wege eröffnen und Mitbestimmung ermöglichen. Es handelt sich also auch um einen Bildungsauftrag. Jugendliche bekommen die Möglichkeit, Demokratie zu lernen.

Um mehr Jugendliche zu erreichen und jugendgerechte Verfahren umzusetzen, braucht es ein deutliches Signal in deren Richtung. Es braucht eine kommunalpolitische Verankerung und verbindliche Verabredungen zum Umgang mit den Ergebnissen. Verabredungen müssen umgesetzt, über Ergebnisse kontinuierlich und transparent berichtet werden. Es muss deutlich werden, wer an welchen Entscheidungen mitbestimmen darf und selbstverständlich müssen auch die Grenzen von Mitbestimmung ausgehalten werden.

Die Mitbestimmung junger Menschen an politischen und verwaltungsbezogenen Entscheidungsprozessen innerhalb der gegebenen Bedingungen eröffnet einen Zugewinn an Ressourcen, Idee und Nachhaltigkeit. Junge Menschen lernen Demokratie; vor allem, dass sie errungen werden muss und es Kompromissbereitschaft braucht. Wie wichtig das ist, zeigt sich an den neuesten Erkenntnissen der Shell-Studie 2019: Im Schatten der Engagierten (Friday for Futures), so eine Haupterkenntnis der Studie, wachse eine Gruppe heran, die sich von Politik missverstanden, ignoriert und sogar manipuliert fühle - und die in Teilen Denk- und Verhaltensmuster von Populisten übernommen habe. (vgl. https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/shell-jugendstudie-2019-anfaellig-fuer-populismus-und-verschwoerungstheorien-a-1291545.html; Zugriff 16.10.2019)

Grundsätzlich muss klar sein, dass Entscheidungsfindungsprozesse bei Einbindung derart basisdemokratischer Elemente zeitintensiver sind und einer systematischen Begleitung bedürfen. Alle Akteur*innen der repräsentativen Demokratie und der Verwaltung müssen zu dem diese Art der Mitbestimmung akzeptieren und respektieren, wobei die Bedeutung der politischen Gremien nicht infrage gestellt wird und selbstredend alle rechtliche Vorgaben unangetastet bleiben. Zielführend ist es außerdem, wenn alle beteiligten Akteure auf Augenhöhe zusammenarbeiten.

 

Praktische Umsetzung

Die Vorgehensweise könnte nun so sein: Jede Vorlage des Vorstands in der Gemeinde Hohenstein unterliegt bereits seit einigen Jahren einem Demografie-Check. In Zukunft nun käme hinzu, dass vom Bürgermeister zu entscheiden wäre, ob es zielführend und vor allem im Interesse Jugendlicher aus Hohenstein wäre, bevor endgültige Beschlüsse gefasst werden, Jugendlichen ein Mitspracherecht innerhalb dieses Demografie-Checks einzuräumen. Vgl. hierzu auch § 4c HGO – Beteiligung von Kindern und Jugendlichen.

Wenn die Gemeindevertretung dem zustimmt, erarbeitet die Gemeindeverwaltung jeweils ein themen- und zielgruppenorientiertes Verfahren zur politischen Jugendbeteiligung. Die Ergebnisse der Verfahren fließen in die gängigen Entscheidungsprozesse mit ein und werden den Jugendlichen, die der Einladung auf Mitbestimmung gefolgt sind, mitgeteilt und erklärt. Es sollte infolge zulässig sein, dass sie hierzu Stellung beziehen können.

Darüber hinaus, so sollte entschieden werden, wird den Jugendlichen auch ein Initiativrecht eingeräumt: Sie können also selbst Anträge einbringen.

 

Die hier beschriebene Jugendbeteiligungsform kann also als projektorientiert- oder anlassbezogen bezeichnet werden. Das erhöht die geforderte Zielgenauigkeit hinsichtlich der Zielgruppengerechtigkeit.

Es gibt eine Vielzahl an Erfahrungswerten, die zum Gelingen derartiger Prozesse beitragen. Sie in Gänze hier aufzuführen, wäre zu umfangreich, sollte aber infolge als Checkliste zwecks Qualitätssicherung im Auge behalten werden. Für diesen Beschluss – so darf wiederholt werden – ist es zuallererst unabdingbar, dass alle Akteure die Bereitschaft zur interdisziplinären, intergenerativen und respektvollen Kooperation mitbringen und seitens der Gemeindevertretung hierzu zielführend ein ernsthafter und verbindlicher Beschluss im vorgetragenen Sinne gefasst wird.

 

Ausblick

Jugendliche sind sehr sensibel dafür, wenn ihnen nur eine Alibi-Partizipation zu Teil wird. Das würde dem Ziel, sie demokratiefähig zu machen, widerlaufen. Angesichts der gesellschaftlichen Tendenzen muss Jugendbeteiligung deshalb entschlossen und systematisch angegangen werden. Alles andere birgt die Gefahr, dass junge Menschen der repräsentativen Demokratie wenig Vertrauen schenken.  

Positiv herauszustellen ist außerdem, dass Mitbestimmung schon seit über 20 Jahren in der Gemeinde Hohenstein erfolgreich praktiziert wird und zwar in den Jugendclubs, deren Träger die Gemeinde Hohenstein ist. Hier lernen junge Menschen am Lernort Jugendclub mit fachlicher Anleitung Selbstverwaltung. Sie halten Frust aus, lernen, dass es Regeln gibt, müssen Konflikte regeln. Das Plus ist, dass die Gemeinde Hohenstein ihnen Vertrauen schenkt. Ein guter Ausgangspunkt dafür, jungen Menschen in Hohenstein noch mehr zuzutrauen.

 

Beschlussvorschlag

Der Gemeindevorstand befürwortet die Handlungsempfehlung, insbesondere der dargestellten praktischen Umsetzung, und empfiehlt sie zur Beratung und Beschlussfassung in der Gemeindevertretungssitzung am 02. Dezember 2019.   

 

Der Gemeindevorstand hat sich in seiner Sitzung am 13.11.2019 mit der Thematik befasst und folgenden geänderten Beschluss gefasst:

 

Der Gemeindevorstand hat sich mit der Thematik eingehend befasst. Das bisherige System der dezentralen Jugendforen hat sich aus Sicht des Gemeindevorstandes bewährt. Der Gemeindevorstand schlägt daher vor, die Jugendbeteiligung in der bisherigen Form bei zu behalten.

 


keine


Die Gemeindevertretung der Gemeinde Hohenstein nimmt die Neukonzeptionierung zur Kenntnis und stimmt den geplanten Änderungen in der von der Jugend- und Seniorenreferentin vorgeschlagenen Form zu.


13.11.2019

Gemeindevorstand

 

Der Gemeindevorstand der Gemeinde Hohenstein empfiehlt der Gemeindevertretung der Vorlage A2/010/2019 (Handlungsempfehlung Neukonzeptionierung politische Jugendbeteiligung 2020) in der geänderten Form zuzustimmen. 

Der Gemeindevorstand hat sich mit der Thematik eingehend befasst. Das bisherige System der dezentralen Jugendforen hat sich aus Sicht des Gemeindevorstandes bewährt. Der Gemeindevorstand schlägt daher vor, die Jugendbeteiligung in der bisherigen Form bei zu behalten.

 

einstimmig beschlossen

 

 

 

26.11.2019

Sozialausschuss

 

Wird mündlich vorgetragen

 

 

 

27.11.2019

Haupt- und Finanzausschuss

Wird mündlich vorgetragen